Durch Nathalie am 19.10.2018
Ob man sich dabei alleine oder im Kreis der Familie auf den Weg macht, die Wälder haben eine einzigartige Kraft, uns in Erstaunen zu versetzen, uns zu bewegen und in pure Entzückung zu geraten. In dieser Zeit, in der die ersten Pilze zu finden sind, gibt es in einigen Regionen auch schon Kastanien. Es ist eine Frucht, die den Inselbewohnern schon sehr lange als wichtiges Element ihrer Nahrung bekannt ist – was besonders für Phasen gilt, in denen die Nahrung knapp ist. Das Kastanienmehl zum Beispiel gleicht regelmäßig bei zu geringer Getreide-Ernte die drohende Knappheit aus und sichert dadurch die Versorgung der ländlichen Bevölkerung. „Solange es Kastanien gibt, werden wir Brot haben“ sagte Pascal Paoli bereits 1758.
Die Korsen wussten sehr genau, was sie dieser kleinen Frucht zu verdanken hatten. Kein Wunder, dass sie dem Hauptanbaugebiet der Kastanie im 17. Jh. den Namen Castagniccia gaben – ein Beweis dafür, dass sie die Bedeutung des Kastanienbaums und seiner Früchte einschätzten.
Die Kastanie ist aber nicht nur einfach ein symbolhaftes Produkt der Insel, sondern vielmehr auch ein sehr wichtiger Bestandteil des gesamten Naturerbes. Die landwirtschaftliche Messe – speziell für die Kastanie – die jedes Jahr in Bocognano seit 30 Jahren stattfindet, ist ein deutlicher Beweis hierfür. Die dicht gedrängten Besucher hier nutzen die Gelegenheit zum Kauf des Mehls. Den ganzen Winter über machen sie daraus Pulenta, Granaghjoli, Flans, Kuchen und Biskuit… Und jeder hat seinen Lieblingslieferanten. Man probiert, diskutiert, gibt sich gegenseitig Ratschläge und tauscht Rezepte untereinander aus. Jede Mikroregion hat ihre Eigenarten bei der Zubereitung und Ihre Vorlieben, uralte Produkt-Rezepte neu zu interpretieren.
Natürlich beschäftigt sich nicht die gesamte Insel mit der Produktion von Kastanien. Manche Regionen haben besonders günstige Voraussetzungen, was insbesondere von der Höhenlage und der Qualität des Bodens abhängt… das Geheimnis der riesigen Kastanienwälder. Die Castagniccia trägt offensichtlich völlig zu Recht ihren Namen. Aber sie ist nicht das einzige Gebiet auf Korsika, das von diesem einzigartigen Baum profitiert: Gegenüber dieser Mikroregion im Norden der Insel erhebt sich das Niolu. Trotz einiger wüstenähnlicher Gebiete und häufig auch unter Schnee versteckt, besitzt es ebenfalls Gebiete voller großer Kastanienbäume. Zu nennen sind auch die Region von Evisa und der Wald von Aïtone … und andere!
Zahlreich sind die Gäste, die regelmäßig die großen hundertjährigen Bäume aufsuchen und sich freuen, hier und da einige Kastanien zu sammeln, die heruntergefallen sind. Man erwartet mit einiger Ungeduld, dass die Früchte reif genug sind, um vom Boden aufgelesen zu werden. Sehr beliebt sind auch die heißen Kastanien, die mit lauten Rufen „Chauds, les marrons, chauds“ von Händlern vor den großen Kaufhäusern des Boulevards Haussmann angepriesen werden.
Auf Korsika gibt es etwa 200 bis 250 landwirtschaftliche Betriebe, die Kastanien kultivieren und zum großen Teil zu Mehl verarbeiten. Man schätzt, dass rund 300 Tonnen Mehl jährlich produziert werden. Hierbei werden die Früchte getrocknet, geschält und gelegentlich leicht angebacken, um den biskuitartigen Geschmack zu verstärken. Danach werden sie per Hand verlesen und ausschließlich in einer Granitstein-, Feuerstein- oder Schiefer-Mühle zu Mehl verarbeitet, um eine besondere Feinheit zu garantieren. Seit November 2006 schreibt eine Verordnung verbindlich die Regeln der Herstellung von Kastanienmehl „Corse AOC“ vor – ein Leistungsverzeichnis für beste Qualität. Hierfür wurde eigens ein Syndicat AOC ins Leben gerufen.